27.5.08

England

Es gibt mich noch - und - ich bin noch immer unversehrt (abgesehen von einigen Mueckenstichen) und hoffe, Euch allen geht es gut.
Vielen Dank noch fuer die neuen Kommentare ...
Gerade pausiere ich in York

im "evil eye", wo es neben der Moeglichkeit, ins Internet zu kommen, auch ein leckeres vegetarisches Curry gab ...



England war zunaechst ein wenig gewoehnungsbeduerftig. Nicht nur wegen des Linksverkehrs, den ich fahrradfahrend schwieriger zu bewaeltigen fand, als ich das autofahrend von frueher kenne. Liegt wohl daran, dass man/frau als RadfahrerIn in kritischen Situationen einen antrainierten "Nach-rechts-ausweich-Reflex" hat, den man sich aber ganz schnell abgewoehnen muss, wenn man hier ueberleben will ...

Gewohnungsbeduerftig waren auch die Preise, vor allem aber das Strassenbild in den Doerfern und kleinen Stadten. Anders als in Spanien und Frankreich gibt es keine Strassencafes, die die Orte beleben - es gibt aber auch sonst nichts, was draussen stattfindet - sprich: die Strassen auf den Doerfern sind gaenzlich leer. Mehrere Englaender, mit denen ich mich unterhalten habe meinten dazu, die meisten Landsleute wuerden das Auto benutzen, um eine Distanz von mehr als einer halben Meile (800m) zurueckzulegen und die populaerste Beschaeftigung der Menschen sei das Sitzen vor dem TV... In den Einkaufszentren der kleinen Stadte finden sich dann auch wirklich unglaublich schlabbrig dicke Menschen wieder, die von fastfood und fernsehen gezeichnet sind.
Ich empfinde das Land "auf dem Land "als sehr verschlossen, verborgen, versteckt - gleichwohl es landschaftlich durchaus einiges zu bieten hat. Doch die vielen eng an den Strassen verlaufenden Hecken beschneiden die Blickfreiheit beim Radfahren erheblich - hinzu kommt ein gewisser Dauerdunst, der - bei dem (bis gestern) "gutem" Wetter (also kein Regen) - das Landschaftsbild beherrscht und die "Abgeschlossenheit" jedes einzelnen Anwesens durch Zaeune, Mauern und "Privat"-Schildern.
Letztlich fuehle ich mich in England (zum ersten Mal, seit ich unterwegs bin,) in den Staedten wohler als auf dem Land - mit Ausnahme der Tour durch den Peak-District!

Aber nun der Reihe nach

Von Bath nach Bristol gibt es den River-Avon-Trail,

also einen vom "national cycling network" - dem grosses Lob von allen gebuehrt, die sich in GB radelnd bewegen! - ausgeschilderten Radweg, der wieder mal eine stillgelegte Bahntrasse ist und zudem umfassend mit Infotafeln und mit ein wenig "Kunst am Radweg" bestueckt ist...


Zudem ist er sehr gut befahrbar und jenseits allen Strassenverkehrs. So also kam ich nach Bristol (wohin ich eigentlich gar nicht wollte ...)


Dort gab 's erst mal einen groesseren Umweg - in Ermangelung ausreichender Ortskenntnis - aber irgendwann hab ich den weiteren Weg entlang des Rivers Severn dann auch gefunden.


In Slimbridge
gibt es ein Vogelschutz-Feuchtgebiet des WWT, das sehr schoen angelegt ist und wieder einmal den Vogelkundlern und denen, die es werden wollen, einiges zu bieten hat...
Der weitere Weg fuehrte dem Radweg folgend Huegellandschaften


vorbei an Kuehen, Schafen und radelnden Froeschen und roten Telefonhaeuschen ...

nach Ledbury, Ironbridge bei Telford und Ludlow


in das Naturschutzgebiet des Peak-District.



Wer einen Radurlaub in England plant, dem seien der Tissington-Trail und der Longendale-Trail empfohlen. Die anderen Radwege des Peak-Districts sind steigungsmaessig und manchmal wegen eines unzureichenden Bodenbelages nur zu empfehlen, wenn man genuegend Motivation und Geduld mitbringt, die Huerden zu meistern... Steigungen mit mehr als 10% Neigungswinkel sind eher die Regel als die Ausnahme und das geht dann doch in die Beine ...


Der Trans-Pennine-Trail (TPT), der letztlich kein durchgehend einheitlicher Radweg, sondern eine von der Ostkueste zur Westkueste fuehrende Radroute ist, die aber ueber unterschiedliche "trail"-Radwege verlaeuft, kreuzt sich im Pennine-Gebirge im Peak-District eine zur Zeit hochfreqentierte Wanderroute, die im Peak-District startet und in Schottland endet. Deshalb gabs auf dem Campingplatz in Biggin beinahme mehr Kleinzelte als Caravans - was ansonsten voellig unueblich ist.
Dem TPT bin ich bis Kingston upon Hull


gefolgt, um dort - wie mir empfohlen wurde - beim harbour-master nach einer Moeglichkeit zu fragen, als Passagier auf einem Frachtschiff nach Norwegen zu gehen (was mir wohl etwa 200 Euro Ersparnis gebracht haette). Den Harbour-master hab ich gefunden, er war auch nett, aber es gibt leider keine Moeglichkeit, also fuehrt der weitere Weg wieder nordwaerts in Richtung Newcastle zur Faehre ...

Vorher hab ich mir noch Beverley
kurz angesehen und fuer York wollte ich schon einen ganzen Tag - was sich schon deswegen als richtig erweist, weil [s draussen regnet und die Kneipen hier ausgesprochen nett sind ...
In diesem Sinne ... feuchte Gruesse
Jo

18.5.08

Linksverkehr



Seit La Rochelle bin ich weit gekommen und hab den Kontinent erst mal verlassen. Und da auf der Faehre ein wenig Zeit war, mal die gefahrenen Kilometer auszurechnen, gibt's heut ausnahmsweise mal ein wenig "Statistik":
Von Muenchen bis Cherbourg hat sich Beamers Tachostand um 5196 km erhoeht. Darin sind alle gefahrenen und geschobenen km enthalten - also auch die Fahrten an den Ruhetagen und die nach Ankunft am Campingplatz etc. Die Summe der Tagesetappen, die ich mit Gepaeck zurueckgelegt hab, belaeuft sich (so ich mich nicht verrechnet habe) auf 4833 km.
Von Muenchen bis Cherbourg waren es 51 Fahrtage und 23 Tage, an denen ich nicht (od eben nur ein kurzes Stueck ohne Gepaeck) gefahren bin.
Damit kommen im Durchschnitt auf jeden "Fahrttag" knapp 95 gefahrene km.
Die Laengen der Tagesetappen lagen zwischen min. 50 km und max. 150 km, wobei eine Streckenlaenge um die 100 km am haeufigsten war.
Na, ja - und irgendwie spuer ich die Kilometer schon in den Knochen bzw in den Muskeln, waehrend ich mich in Bath bei Phil mal wieder fuer 2 Tage erhole.


Die Fahrt durch die Bretagne mit ihren saftig gruener Huegellandschaft, verzauberten alten Staedtchen mit ihren kleinen Chateaus und den freundlichen Strassencafes verlief weitgehend auf Radwegen, die z.T. neben den Strassen, z.T. abseits des Verkehrs gefuehrt sind. Die Bretagne ist ein ausgezeichnetes Fahrradland - nicht nur, weil die Autofahrer dort deutlich ruecksichtsvoller sind als im suedlicheren Frankreich, sondern auch, weil ein gutes Radwegnetz existiert, die Landschaft immer wieder neue Blicke bietet und die gastronomischen Betriebe der Staedte und Doerfer an Radtouristen gewoehnt sind und einem z.B. von sich aus anbieten, die Wasserflaschen zu fuellen! und es ueberall kleine (und guenstige) Campingplaetze auf ehemaligen Bauernhoefen gibt, in denen man ueberaus freundlich aufgenommen und z.T. sogar mit Fruehstueck versorgt wird.
Leider konnte ich einige Tage nicht so viel fotografieren, da mein Fottoakku nicht aufgeladen war, so dass ich nur wenig mit Bildern dokumentiert habe...

Die Anstiege werden in Richtung Normandie steiler und die Fahrt nach Cherbourg hat schon ein wenig Kraft gekostet, wenngleich die Schlussabfahrt nach Cherbourg einen voll entlohnt ...

Passiert habe ich Nantes:

Vittre:



Fougeres:




und den "Le Mont Saint Michel", den man ueber viele Kilometer aus unterschiedlichsten Perspektiven und mit unterschiedlichem Lichteinfall aus einer voellig ebenen Kuestenlandschaft herausragen sieht.




Schliesslich ging's in Cherbourg



auf die Faehre nach Poole:


und danach durch Suedengland.
Die fahren alle auf der falschen Seite - es bleibt einem also nichts anderes uebrig, als dasselbe zu tun. Damit aber nicht genug, kriegen die englischen Autofahrer die bislang schlechtesten Noten, was Abstand halten und Ruecksichtnahme angelangt! Daher war die Fahrt - nach einer kurzen Nacht auf der Faehre - ziemlich anstrengend, zumal die Steigungen dieser Huegellandschaft nicht von schlechten Eltern sind ...



Kurzum - ich war froh, dass Phil mich in Bath im Zentrum abgeholt hat und ich nicht mehr lange nach seiner Wohnung suchen musste und eine richtiges Bett tut auch mal wieder ganz gut ... Gestern sind wir dann durch die Stadt geschlendert...Gaskartusche kaufen, nach neuen Schuhen suchen, Karten besorgen, wenigstens hier noch eine Unterschrift gegen den Irakkrieg und fuer die Abschaffung von Atomwaffen leisten (wenn ich schon die DFG-VK z.Zt. so straeflich vernachlaessige!) - und schliesslich eine bizarre Stadtfuehrung mit einem Hasen als Entfesselungskuenstler, der wie durch ein Wunder aus dem River Avon wieder auftauchte ...



und heute sitze ich mal nicht im Internetcafe, sondern an Phils Notebook, um Euch mit neuen Informationen zu versorgen ...
Morgen gehts weiter, der Kurs der naechsten 10-12 Tage lautet Newcastle. Da ich inzwischen ziemlich gute Karten mit Radwegen! habe, sehe ich den linksfahrenden Autofahrern gelassen entgegen ...

Liebe Gruesse - lasst es Euch alle so gut gehen, wie es nur geht ...

Jo (und Beamer) und natuerlich auch von Phil herzliche Gruesse an alle, die den Ex-Muenchner noch kennen ...